B2
Fotografie-Workshop
Kurzbeschreibung
Unsere Fähigkeit, die soziale Welt zu untersuchen, zu beschreiben und über sie nachzudenken, ist untrennbar mit dem Akt des Sehens verbunden. Theorie ist die Festlegung eines Standpunkts und einer Analyse innerhalb eines größeren Zusammenhangs von Ereignissen, wie es in der Etymologie des griechischen Wortes theoria zum Ausdruck kommt. Diese lexikalische Etymologie erinnert uns daran, dass die Art und Weise, wie wir in der westlichen Kultur über die Art und Weise denken, wie wir denken, von einem visuellen Paradigma geleitet ist. So ist Theorie (theoria) mit Betrachten, Schauen, Sehen, Beobachten verbunden. Die Teilnehmer:innen werden durch Konzepte geführt, die die Fotografie mit der Theorie verbinden (Blickwinkel, Perspektive, Standort, Rahmen, Erfassung, Darstellung, Abbildung, Hintergrund, Nahaufnahme/Luftaufnahme usw.) und erhalten bestimmte Anregungen, um mit diesen Konzepten durch die Fotografie zu experimentieren. Ziel ist es, über unsere Annahmen darüber nachzudenken, was Theorie ist/tut und wie diese durch koloniale, heteropatriarchale, kapitalistische Macht konstruiert werden, aber auch darüber, wie – durch Fotografie – diese Annahmen und Definitionen von Theorie dekolonisiert und Theorie in eine befreiende Praxis verwandelt werden kann.
Ziele
- Die visuellen und medialen Diskurse der Flüchtlingskrise verstehen.
- Auseinandersetzung mit der Art und Weise, wie unser Verständnis der visuellen Welt unsere Fähigkeit prägt, Theorien zu produzieren und zu verstehen.
- Erforschung der Verbindungen zwischen Seh- und Wissensweisen.
- Hinterfragen unserer Sehgewohnheiten und kritische Auseinandersetzung mit der Art und Weise, wie wir auf die Welt blicken. (d.h. betrachten wir die Welt aus einer privilegierten Position heraus? Übernehmen wir den Blick des Staates? Wie kultivieren wir unseren persönlichen Blick?)
- Kritische Auseinandersetzung mit Bildern, die die Flüchtlingskrise darstellen. Wie werden zum Beispiel Flüchtlinge in Bildern von Ankunftsszenen festgehalten?
- Nachdenken darüber, was in den Mainstream-Bildern zur Flüchtlingskrise fehlt und wer/was nicht dargestellt wird.
- Nachdenken über die Verbreitung von Bildern der Ankunft von Geflüchteten im Gegensatz zum Fehlen von Bildern, die die Ausreise von Geflüchteten durch Abschiebung zeigen. Das heißt, wenn Geflüchteten gewaltsam abgeschoben/zur Rückkehr gezwungen werden, ist niemand da, um ihre gewaltsame Abreise zu fotografieren.
Verfahren
Dauer: 90 Minuten
Schritt 1
15 minuten
Führen Sie die Teilnehmer:innen in:
- die Begriffe (Blickwinkel, Standort, Rahmen, Darstellung, Nahaufnahme/Luftaufnahme usw.) und
- die Aufgabe ein: eine visuelle Darstellung der menschlichen Mobilität, der Grenzen und des Grenzverlaufs oder des Stillstands (an Ort und Stelle bleiben, festsitzen) zu erstellen.
- Blickwinkel: Jedes Bild drückt den Standpunkt des/der Fotograf:in durch den Akt der Rahmung aus.
- Rahmen/Rahmung: „Fotografieren heißt rahmen. Einrahmen bedeutet, die Grenzen des Realen zu definieren, das, was darstellbar ist, und das, was nicht dargestellt werden kann, in der doppelten Bedeutung dessen, was wir nicht darstellen dürfen und was der Darstellung nicht würdig ist. Und deshalb ist die Fotografie … ab initio [von Anfang an] in ihre eigene Interpretation verwickelt.“ (Hani Sayed)
- Repräsentation als Stellvertreter und als Porträt (Gayatri Spivak) und ihre Auswirkungen auf die Fotografie:
- Proxy – Repräsentation als ein „Sprechen für“, ein „Einspringen für“, eine Substitution (z.B. repräsentative Demokratie)
- Porträt – Re-Präsentation, wie in der Kunst oder der Philosophie)
- Fotografie: gleichzeitig Stellvertreter und Porträt (ersetzt das fotografische Ereignis und stellt es wieder dar: das, was auf dem Foto passiert ist und in gewissem Sinne immer noch passiert).
- Nahaufnahme/Luftbild: In „Krise als Erscheinung“ haben wir gesehen, wie der Blickwinkel (Luftbild) eine Staatsvision fördert, die durch die Blickwinkel und Bilder, die sie hervorbringen, naturalisiert wird.
Schritt 2
45 minuten
Die Teilnehmer:innen werden gebeten, mit Digitalkameras (Handykameras sind ok) eine Reihe von Fotos zu machen, die die oben genannten Themen darstellen und mit den oben genannten Konzepten zu experimentieren. Die Teilnehmer:innen werden gebeten, eines davon auszuwählen.
Schritt 3
30 mins
Die Teilnehmer:innen stellen der Gruppe ihr ausgewähltes Foto vor. Es folgt eine Diskussion.
Erforderliche Materialien
- Projektor und Laptop/spezielle Online-Plattform oder -Anwendung
- Digitalkameras (Handykameras sind in Ordnung, wenn keine Digitalkameras verfügbar sind)
Erwartete Ergebnisse
Eine Sammlung von Bildern, die von den Teilnehmer:Innen erstellt wurden.
Kurator:innen
PAR Athen: Anna Carastathis, Myrto Tsilimpounidi